1. ARTIKEL: BALANCE - DIE KOMPETENZ, BA­LAN­CEN ZWI­SCHEN SICH UND AN­DE­REN bzw. DER UM­WELT HER­ZU­STELLEN


von Regine Reichwein

 

 

Unsere Welt ist einzig­artig und wunderschön, aber wir kümmern uns nicht aus­reichend um sie. Dabei stehen uns alle Fähig­keiten zur Verfügung, die wir dazu brau­chen, ein über­wiegend glück­­liches Leben mit uns selbst und mit unse­­rer Um­welt zu leben, sofern wir nicht durch äußere Umstän­de daran gehin­dert werden.

Vieles dazu steht in meinem Buch „VERANTWORTLICH HAN­DELN“. Genau­eres zu diesem Buch und meinen anderen Ver­öffent­lichun­gen steht auf dieser Web­seite unter „BÜCHER“. Aber vieles möchte ich noch ergän­zen und dafür schrei­be ich für diesen Blog.

 

Eine außerordentlich wichtige Fähig­keit, über die wahr­schein­lich alle Lebe­wesen ver­fügen, ist das Gespür für BALANCE. Lei­der lassen viele von uns dieses Ge­spür nicht mehr in aus­reichen­dem Maße zu. Trotz­dem kennt jeder von uns das Ge­fühl, von einer ande­ren Per­son aus­genutzt oder über­vorteilt worden zu sein.

 

Dadurch merken wir deutlich, dass die Beziehung zwischen uns und der anderen Person aus der Balance geraten ist. Wenn man einen anderen Menschen mehrfach zum Essen eingeladen, beim Umzug oder anderweitig geholfen oder ihm Geschenke gemacht hat, aber nicht genug zurückbekommen hat, wird man unzufrieden oder auch aggressiv der entsprechenden Person gegenüber.

 

Wir merken es deutlich, wenn wir benachteiligt werden und werden eifersüchtig auf die unserer Ansicht nach bevorzugte Person. Selbst unsere Haustiere haben ein feines Gespür dafür. Wenn ich an die Hunde oder Katzen, die bei mir zu Besuch sind, Leckerchen verteile, sitzen sie alle nebeneinander und ich habe den Eindruck, sie passen auf, dass es auch gerecht zugeht. Auch sie merken es genau, wenn sie kurz kommen.

Wenn man die entsprechende wissenschaftliche Literatur durchsucht, finden sich viele Beispiele dafür, dass auch andere Lebewesen ein Gespür für Balance in Bezug auf sich selbst und die Prozesse ihrer Umwelt haben.

 

 

Sind wir mit Menschen zusammen, die nicht auf die „Balance“ achten, werden wir häufig sehr ärgerlich oder sogar richtig wütend auf sie. Und manchmal werden wir auch ärgerlich auf uns selbst, weil wir uns haben ausnutzen lassen. Beides ist selbstverständlich nicht hilfreich.

Wir haben aber meist nicht gelernt, uns aktiv für die Wiederherstellung der Balance einzusetzen. Das ist jedoch nicht sehr schwierig.

 

Allerdings brauchen wir ein Gespür dafür, was uns andere Personen entgegenbringen, um ihrerseits für einen Ausgleich des Gebens und Nehmens zu sorgen. Wir lernen zwar schon als Kinder, aufmerksam darauf zu achten, dass wir nicht zu kurz kommen.

 

       Aber wir lernen meist nicht, sowohl darauf zu achten, dass auch der andere nicht zu kurz kommt, als auch wahrzunehmen, was man selbst in der Wechselwirkung mit dem Gegenüber bekommt und dankbar dafür zu sein.

 

 

Dankbar zu sein kann sich allerdings für einige von uns als schwierig herausstellen.

Viel zu viel halten wir für selbstverständlich. Selbst das Lächeln unserer Mitmenschen halten wir für eine Selbstverständlichkeit, wenn sie uns als Angestellte einer Firma, eines Restaurants, einer Behörde oder einer anderen Institution entgegenkommen. Wir glauben, sie seien verpflichtet, uns anzulächeln oder freundlich zu sein.

Auch viele Arbeitgeber weisen ihre Angestellten darauf hin, dass sie ein entsprechendes Verhalten von ihnen erwarten. Lächeln und freundlich sein sind wun­der­ba­re Ver­haltens­weisen und es tut einem auch selbst gut, wenn man lächelt und sich freundlich verhält und meist kommt es auch gut beim Gegen­über an.

 

Mir geht es hier darum, dass wir ein solches Verhalten meist ohne entsprechendes eigenes Zutun für eine Selbst­verständ­lich­keit halten.

Wir merken schnell, wenn wir zu kurz kommen, aber wir merken meistens nicht, dass wir auch etwas geben müssen, damit die zwischen­menschlichen Inter­aktionen immer wieder ins Gleich­gewicht kommen können und unser Gegen­über nicht den Eindruck entwickelt, es käme seinerseits zu kurz.

 

Der Eindruck, man würde übervorteilt oder ausgenutzt, bewirkt meistens, dass die Betroffe­nen offen oder unter­schwellig aggressiv werden oder sich enttäuscht zurückziehen.

Auf der Strecke bleibt ganz oft das Vertrauen. Gefühle der Ver­bun­den­heit und der Ver­läss­lich­keit werden kleiner und die existen­zielle Unsicher­heit bei wenig­stens einer der beteilig­ten Personen nimmt zu.

 

 

Durch einen vermei­denden Umgang mit Ungleich­gewichten in Beziehungen wird die eigene Welt langsam, aber sicher immer kleiner. Ungerechtigkeit und Ungleich­gewicht gehören zum Leben dazu, deshalb kann man sie nicht ausgrenzen. Durch Ungleich­gewichte – auch in der Form von Un­gerechtig­keiten – kommt auf allen Ebenen immer wieder Bewegung in die Prozesse des Lebens, deshalb sind sie unerläss­lich.

Aber auch die Versuche, wieder Gleichgewichte herzustellen, sind unerlässlich, denn sie dienen der Stabi­lisie­rung der beteilig­ten Lebe­wesen und ihrer Le­ben­swirk­lich­keiten.

 

Nur, wie kann man versuchen, ein Gleich­gewicht wieder herzustellen, wenn man sich von einer anderen Person ausgenutzt oder ausgebeutet fühlt?

Am besten spricht man das beobachtete Ungleichgewicht direkt an und hält sich dabei ganz konkret an die Fakten. Die Formulierungen variiert man in Abhängigkeit von der Person und der Situation, wie in den folgenden Beispielen:

 

  • Ich gehe gerne mit dir essen, nur habe ich den Eindruck, dass unsere Regelung, die Rechnung immer zu halbieren, dazu führt, dass deine und meine Ausgaben nicht mehr in Balance sind. Ich esse meistens nur einen Salat oder ein kleines Gericht und trinke Wasser und du hast Vor- und Nach­speise, ein Haupt­gericht, Wasser und Wein und anschließend einen Espresso. Ich merke, dass ich unzufrieden mit der jetzigen Regelung bin. Deshalb möchte ich, dass in Zukunft jeder von uns das zahlt, was er selbst bestellt hat.
  • Die wöchentlich anstehende Haus­arbeit finde ich nicht gleich­gewichtig verteilt. Deine und meine Arbeit sind nicht in Balance und ich fühle mich damit unzufrieden. Ich möchte dir eine neue Auf­gaben­ver­tei­lung vor­schlagen und darüber mit dir sprechen.
  • Deine und meine Aus­gaben von unserem gemeinsamen Konto sind nicht im Gleich­gewicht. Du gibst weit mehr aus als ich und ich merke, ich werde darüber ärgerlich. Ich möchte deshalb mit dir darüber sprechen, wie deine und meine Aus­gaben einander angeglichen werden können, so dass wir beide annähernd gleich viel ausgeben.
  • Du erwartest ganz oft, dass ich meine Arbeit liegenlasse, um dir zu helfen und ich tue das auch gern. Nur sind deine Hilfe für mich und meine für dich nicht im Gleich­gewicht. Ich fühle mich damit nicht gut und möchte die wechsel­seitigen Hilfe aus­gegliche­ner haben.

 

Es gibt jedoch auch die entgegen­gesetzte Möglich­keit: Wenn einem auffällt, dass man mehr von einer anderen Person profitiert als man zurück­gibt, dann ist es sehr sinn­voll, das anzu­sprechen und selbst einen Aus­gleich anzubieten:

 

  • Du hast mir, während ich im Krankenhaus war, soviel geholfen und mir damit immer wieder eine große Freude gemacht. Ich bin dir sehr dankbar für alles, was du getan hast, und ich werde das nie vergessen.
  • Du hast mich in deinem Auto in der letzten Zeit so oft gefahren, jetzt möchte ich bitte die Benzinrechnung übernehmen, damit wenigstens ein bisschen die Balance wieder hergestellt ist.
  • Du hast mich und mein Leben so bereichert, und ich will dir deshalb auch einmal eine Freude machen. Kannst du mir verraten, worüber du dich freuen würdest?

 

Wir können davon ausgehen, dass in unserer Kultur, aber vielleicht auch überall auf der Welt, Menschen sehr bedürftig nach Zuwendung sind und deshalb meist eher etwas für sich selbst haben wollen, statt etwas herzugeben.

 

      Aber wir können bei uns selbst immer wieder beobachten: Je mehr wir uns anderen Lebewesen zuwenden und ihnen etwas geben, desto mehr erhalten wir zurück, wenn auch nicht immer von denselben Menschen.

 

 

Wenn bereits Ungleichgewichte in Bezug auf die Erfüllung dieser Bedürfnisse vorhanden sind, ist es sehr sinnvoll, jeweils den ersten Schritt zu tun und sich aktiv anderen zuzuwenden, um etwas für die Wiederherstellung der aus dem Gleichgewicht geratenen Balance zu tun.

 

Langsam spricht sich die Notwendigkeit, Prozesse in den verschiedensten Bereichen immer wieder auszubalancieren, herum.

Nachhaltigkeit ist eines der Stichworte. Menschen beginnen verstärkt darauf zu achten, dass nicht mehr Fische gefangen, nicht mehr Bäume abgeholzt, nicht mehr Pflanzen geerntet oder nicht mehr Tiere gejagt werden als nachwachsen können, um nicht einzelne Arten auszurotten oder um andere nicht wiedergutzumachende Schäden zu vermeiden.

 

Weniger oft allerdings achten Menschen bewusst auf die Balance in zwischenmenschlichen Interaktionen oder in der Organisation von Ar­beits­pro­zessen.

Der Umgang mit Kindern, Freunden, Kollegen sowie zwischen Arbeitgebern und Arbeit­nehmern zeichnet sich immer noch wesentlich dadurch aus, dass Überlegungen zu Fragen der Balance meist gar nicht erst gestellt werden.

Aber gerade in zwi­schen­mensch­lichen Be­zieh­un­gen ist das Bemühen um die Balance von großer Bedeutung.

 

Denn Prozesse, die einmal zu weit aus der Balance geraten sind, können auch hier häufig nicht mehr korrigiert werden, sondern eskalieren oft weiter bis zur Zerstörung der Beziehungen wenigstens eines Teils der Beteiligten oder sogar bis zu ihrer Vernichtung, wie zum Beispiel die aktuellen Ereignisse im Zusammen­­hang mit der IS zeigen. Wir können das leider jeden Tag in der Zeitung lesen.

 

 ©Autorenrechte Regine Reichwein

1. ARTIKEL: BALANCE - DIE KOMPETENZ, BA­LAN­CEN ZWI­SCHEN SICH UND ANDEREN bzw. DER UM­WELT HER­ZU­STELLEN

Lesen Sie auch dazu:




1. ARTIKEL: BALANCE - DIE KOMPETENZ, BA­
Adobe Acrobat Dokument 77.1 KB

 

 



 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0