18. ARTIKEL: WÜNSCHE - GRUNDLAGE VON VERÄNDERUNG


von Regine Reichwein

 

         Die Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat, ist noch lange nicht vorbei......aber wir haben verlernt, uns wirklich etwas zu wünschen...

 

 

Heutzutage wählen wir aus einem Angebot aus und das hat nicht viel mit der Art von Wünschen zu tun, um die es mir hier geht.


Es gibt Wünsche, deren Erfüllung uns Tränen der Rührung oder der reinen Freude in die Augen treiben. Es sind Wünsche nach Zugehörigkeit, nach Achtung und Wertschätzung usw.

Wir möchten von anderen wahrgenommen werden, eine Bedeutung für sie haben und eine Wirkung auf sie ausüben und natürlich vieles andere mehr. Solche Wünsche, die sich auf die Qualität unserer sozialen Beziehungen beziehen, habe ich wegen ihrer Bedeutung für unser Wohlbefinden existenzielle Wünsche genannt.

 

 

Aber solche Wünsche auszusprechen macht Angst, weil wir glauben, wir könnten es nicht ertragen, wenn sie nicht erfüllt werden.
Wenn uns ein Wunsch sehr wichtig ist, vermeiden wir leider oft, ihn auszusprechen. Wir machen dem Gegenüber eher einen Vorwürf daraus, dass es den Wunsch nicht erraten und von sich aus erfüllt hat. Manchmal tun wir auch so, als sei die Wunscherfüllung eine Selbstverständlichkeit, nur um nicht bitten und nicht danken zu müssen.

 

Solange wir denken, dass die Verhaltensweisen anderer Menschen etwas damit zu tun hat, wie wir als Personen sind, z. B. attraktiv, liebenswert, klug, usw., haben wir die Tendenz, es auf uns zu beziehen, wenn eine andere Person uns unsere Wünsche nicht erfüllt.

 

Wir denken nur allzu leicht, wir würden nicht genug wertgeschätzt bzw. wir seien nicht gut genug oder wir denken, wir würden nicht genug geachtet oder respektiert, denn sonst würde die andere Person einem doch den Wunsch erfüllen.

 

Wir denken Sätze wie

„Wenn sie mich ernst nehmen würde, dann täte sie doch, was ich möchte.“ oder

„Wenn er mich lieben würde, dann würde er doch machen, um was ich ihn bitte.“

Und vielleicht sprechen wir solche oder ähnliche Sätze auch aus.

 

Aber wir übersehen dabei, dass jede Person anders ist als wir selbst und andere Vorlieben, andere Prioritäten, andere Empfindungen, Gefühle und Gedanken hat, welche die Entscheidung, einen Wunsch zu erfüllen, beeinflussen.

 

Entscheidend ist jedoch, dass wir Schwierigkeiten mit der Autonomie anderer Personen haben.

 

       Es fällt uns sehr schwer zu akzeptieren, dass eine andere Person einfach das tut, was sie selbst will und nicht das, was ich will oder was auf Grund von Vorschriften, Gebote oder abstrakten Regeln erwartet wird.

 

 

Autonomie ist jedem Lebewesen wichtig und Menschen sind bereit, für den Erhalt ihrer Autonomie ihr Leben zu riskieren, wie man täglich an den Berichten in Presse und Fernsehen erkennen kann.

 

Aber die Akzeptanz der Autonomie von anderen, insbesondere von denen, denen wir uns überlegen fühlen, fällt uns aus kulturhistorisch gewachsenen und den zugehörigen verinnerlichten Gründen schwer. Wir denken all zu leicht, andere Menschen müssten aus Liebe, Zuneigung, Respekt oder aus Gehorsam das tun, was wir von ihnen erwarten. Und diese Erwartungshaltung hat eine sehr destruktive Kehrseite, wir haben bei einem wichtigen Wunsch Angst vor der Antwort und verzichten deshalb häufig auf das Äußern dieses Wunsches.

 

Dabei sind es gerade die bereits erwähnten existenziellen Wünschen, deren Erfüllungen wir uns am meisten wünschen.

Wir wollen, dass andere uns sagen, dass wir ihnen wichtig sind und eine Bedeutung für sie haben, das sie uns als Person und unsere Arbeit achten und schätzen und dass wir eine positive Wirkung auf sie ausüben und ähnliches mehr.

 

Diese Art von Wünschen ist im Zusammenleben wichtiger als alle anderen.

 

  • Nur leider werden sie uns nur selten erfüllt und auch wir erfüllen sie anderen ebenso selten.
  • Stattdessen reden wir oft auf eine Weise miteinander, die alles andere als akzeptierend ist.
  • Das bedeutet, dass eine Erfüllung der existenziellen Wünsche der meisten Menschen nicht in ausreichendem Maße stattfindet.

 

Stattdessen hat sich eine ganz andere Art von Wünschen ausgebreitet.

 

  • Wir reagieren zunehmend auf Angebote aus der Werbung oder anderen Medien und glauben, dass wir uns die Befriedigung kaufen können.
  • Wir bleiben „unabhängig“ von anderen Menschen und erfüllen uns unsere Wünsche selbst.
  • Wir versuchen, selbst dafür zu sorgen, dass wir wahrgenommen werden, eine Wirkung auf andere ausüben, bedeutungsvoll für andere sind usw.

 

Meistens stellen wir fest, dass es nicht so einfach funktioniert.

 

      Die Befriedigung durch den Kauf von Sachen aller Art oder den Konsum von anderen Angeboten ist meist nur kurzfristig und es dauert nicht lange, bis Menschen wieder ihre frühere innere Unzufriedenheit spüren.

 

 

Denn leider ist es so, dass viele unerfüllte existenzielle Wünsche verhindern können, dass man sich zufrieden und wohl fühlen kann.

 

Es gibt viele Untersuchungen darüber, welche Wirkungen wechselseitige Freundlichkeit, anerkennende und akzeptierende Worte usw. haben können. Es sind kleine Gesten und wenige Worte, mit denen wir bereits einander die existenziellen Wünsche erfüllen können.

 

Ein höflicher Gruß, ein freundliches Lächeln, ein kleines Kompliment verändert meist bereits – wegen der Wirkung der Spiegelneuronen – die innere Verfassung des Gegenübers.

 

Nicht immer werden diese Prozesse den Beteiligten bewusst, aber sie entfalten trotzdem ihre Wirkung. Wenn wir einfach – so oft es uns möglich ist – als erste versuchen, die existenziellen Wünsche der anderen zu erfüllen, würde dieses zu einer positiven Veränderung unserer zwischenmenschlichen Beziehungen führen.


Aber um dies zu tun, müssen wir es wollen.

 

Zurzeit sorgen viele Einflüsse dafür, dass wir uns unserer eigenen Intentionen – wie schon gesagt – weniger und weniger bewusst werden.

 

      Es sind fremderzeugte Wünsche, die wir uns durch ein ständiges Anwachsen unseres Konsums selbst erfüllen. Aber nur unsere eigenen Wünsche sind in der Lage, uns zu zeigen, wie wir unsere Welt gestalten wollen.

 

 

Ich denke, dass wir in einer Zeit leben, in der wir noch einmal neu darüber nachdenken müssen, welches die Botschaften unserer Gefühle sind - und sie auch in Bezug auf ihren – von Generation zu Generation weitergegebenen – kulturellen Hintergrund überprüfen (siehe auch BLOGARTIKEL 13.- GEFÜHLE)

 

Denn Menschen haben neben den erwähnten existenziellen Wünschen noch zusätzlich andere – teilweise für andere irritierende – Wünsche, die sich aus ideologischen, religiösen oder anderen kulturellen Quellen speisen, und wir sind gut beraten, über die Notwendigkeit der Erfüllung dieser Wünsche noch einmal nachzudenken.

 

Gerade in einer Zeit, in der es ein riesiges Angebot an Waren und Vergnügungen aller Art gibt und man nur noch auszuwählen braucht, besteht die Gefahr, sich selbst nach dem eigenen Wünschen und Wollen gar nicht erst zu fragen, sondern diese Art von Neugier zugunsten der angebotenen Möglichkeiten aufzugeben.


Da unser Gehirn – ohne unser Zutun – sehr ökonomisch arbeitet und jede zusätzlich Anstrengung scheut, geschieht ein solcher Verzicht auf unsere eigene Neugier von allein.

 

      Es braucht also stets eine bewusste Entscheidung, um sich zu fragen, was man selbst will und nach Antworten zu suchen. Wenn wir verhindern wollen, dass die fertigen Angebote und nicht wir selbst uns unsere Welt gestalten, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns ein bisschen anzustrengen.

 

 

Das gilt insbesondere auch für unseren Umgang mit den digitalen Medien.

 

  • Wie viel Zeit wollen wir mit unseren Smartphone, den sozialen Netzwerken, dem Internet und seinen vielfältigen Angeboten usw. verbringen?
  • Und was wollen wir wirklich mit den vielen Momenten unseres Lebens anfangen?

 

Unsere eigenen Wünsche sind etwas sehr Kostbares.

Sie verbinden uns mit unseren Mitmenschen und dem ganzen Leben.

 

 

©Autorenrechte Regine Reichwein

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